12.03.2024

Anton Bruckners Sinfonie Nr. 2

Zum weltweit ersten Mal werden im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 2024 alle elf Sinfonien Bruckners im Originalklang zur Aufführung kommen, eine Entdeckungsreise in elf Konzerten, die als Zyklus nur im Brucknerhaus Linz und dort jeweils exklusiv in Österreich zu hören sind. 

Die Sinfonien erklingen dabei stets in ihrer Erstfassung, gespielt werden sie von elf der renommiertesten Originalklangorchester Europas unter der Leitung von elf namhaften Dirigenten. Im Interview geben sie Auskunft über ihre Sicht auf Bruckner und darüber, welche Erwartungen sie mit Blick auf dieses besondere Projekt haben.

Am 14. September präsentiert das Orchester Wiener Akademie unter der Leitung von Martin Haselböck Anton Bruckners Sinfonie Nr. 2 c-moll, WAB 102 (1871–72, rev. 1873, 1876) „Fassung 1872“ sowie Werke von Franz Liszt.

 

Martin Haselböck im Interview 

 

Jan David Schmitz: Wieso eigentlich Bruckner im Originalklang?

Martin Haselböck: Als Nachfolger Anton Bruckners als „Hoforganist“ konnte ich bereits einige der Blechblasinstrumente hören und später in meinem eigenen Orchester einsetzen, die während Bruckners Amtszeit in der Hofmusikkapelle in Gebrauch waren. Als Organist kenne ich das ganz besondere Gefühl, auf Instrumenten zu spielen, die Bruckner selbst gespielt hat. Diese Aura stellt sich auf jeden Fall ein, wenn ich das Instrumentarium Bruckners, seien es Originalinstrumente oder perfekte Kopien, vor mir habe, also Instrumente, für die der Komponist seine Werke geschrieben hat.

JDS: Worin liegen aus Ihrer Sicht die größten Unterschiede zwischen der Aufführung einer Bruckner-Sinfonie auf historischen im Vergleich zu modernen Instrumenten?

MH: Erst das authentische Instrumentarium ermöglicht die perfekte Klangbalance und -verschmelzung. Durch Streichinstrumente mit Darmsaiten, historische Holzblasinstrumente und das „rund“ klingende Blech, das auf Homogenität, nicht auf Brillanz zielt, stellt sich die natürliche Balance quasi von selbst ein.

JDS: Weshalb hat die historische Aufführungspraxis gerade um Bruckners Sinfonien so lange einen großen Bogen gemacht?

MH: Ich sehe zwei Gründe: Die großen europäischen „Bruckner-Orchester“, darunter die Wiener Philharmoniker, das Gewandhausorchester in Leipzig und das Royal Concertgebouw Orchestra in Amsterdam, blieben in ihrem Klangbild länger beim Original, mit der „Umrüstung“ auf Stahlsaiten in den 1920er-Jahren verloren aber auch sie den direkten Zugang zum Originalklang. Dann verlangen Bruckners Sinfonien nach großen Klangkörpern, wie sie bei den Originalklangorchestern noch bis vor wenigen Jahren kaum verfügbar waren. Und schließlich: Erst die letzte Generation von Musiker*innen ist auf allen Instrumentarien zu Hause. Die Besten der Besten beschäftigen sich nun mit dem Originalklang und können so auf höchstem Niveau musizieren.

JDS: Wie wird der Einsatz des historischen Instrumentariums unser Bruckner-Bild verändern?

MH: Traditionen können hinterfragt, bisher als selbstverständlich Erachtetes kann wieder neu gehört werden.

JDS: Warum die ‚Zweite‘ in der „Fassung 1872“?  Was fasziniert Sie an diesem Werk?

MH: Auf dem Weg zur Monumentalität der späteren Sinfonien ist die ‚Zweite‘ ein ganz besonderes Werk. Kraftvoll in ihren Spannungsbögen, bewusst die Pausen als Bruchlinien, aber auch als Brücken zwischen kontrastierenden Teilen einsetzend, spannend in ihrer noch nicht periodisch gegliederten Unregelmäßigkeit, ist sie ein Stück voller Brüche und voller Überraschungen.

 

Martin Haselböck © Meinrad Hofer
Martin Haselböck © Meinrad Hofer
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